Einleitung:Im März 2005 fand in China die offizielle Vorführung des Films „Brief einer unbekannten Frau“ statt, der nach dem gleichnamigen Roman des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig umgearbeitet worden ist. Regisseurin des Films war die junge Chinesin Xu Jinglei. Schon in den 1940er Jahren ist dieses Werk in Hollywood unter Regie von Max Opuls und mit Joan Fontaine als Hauptdarstellerin verfilmt worden. Obwohl der Film, der den englischen Titel „Letter From an Unknown Woman“ trägt, beim Publikum Anklang fand, war er nichts anders als andere umgearbeitete typische Hollywood-Filme, die sich mit Liebesaffären, außerehelicher Liebe und Duellen beschäftigen. Da es sich bei dem Film in erster Linie um ein kommerzielles Produkt handelt, diente er vor allem der Sucht zum Exponieren, so dass die Fähigkeit Zweigs, die Emotionen ausführlich zu formulieren, auf den zweiten Platz gedrängt wird.
60 Jahre später wurde der Roman neu interpretiert, wobei die Geschichte diesmal im Beijing der 1930er Jahre stattfindet. Im Vergleich zu dem oben genannten Film scheint Xu Jingleis Produkt originalgetreuer zu sein: Aus reiner Frauenperspektive gibt sie den Stil von Zweig wieder. Durch Ton und Bild wird das Innere der Menschen formuliert. Es geht bei ihrem Film darum, dass ein Mädchen einen Schriftsteller beinahe verzweifelt liebt, weil der Mann gar nichts von dieser Liebe weiß. Mit solch einer Liebe ist das Leben des Mädchens reifer geworden und schließlich zu Ende gegangen. Noch vor ihrem Tod schreibt sie dem Schriftsteller einen langen Brief, in dem sie von ihrer Liebe und ihrem Schicksal erzählt. Die ganze Geschichte ist wie folgt strukturiert: Zuerst empfängt der Mann einen Brief von dem Mädchen und dann folgt die Selbsterzählung des Mädchens, woraus der Hauptteil des Films besteht. Am Ende des Films kommt man wieder zurück in die Gegenwart und der Film endet mit der Szene, in der der Mann den Brief liest. Was interessant ist, dass es zwischen dem Film und dem Roman zwar eine große Ähnlichkeit bezüglich der Struktur besteht, aber die Erzählung der Geschichte völlig umgestürzt ist.